Wie Drachen zu besiegen sind
Paul Dessaus 1969 uraufgeführte Oper „Lanzelot“ wurde nach 1972 nicht mehr aufgeführt. Nun hat das Nationaltheater Weimar die ursprüngliche, von Dessau verworfene Fassung in seinen Spielplan aufgenommen. Premiere ist am 23. November 2019 unter der musikalischen Leitung von Dominik Beykirch, die Regie führt niemand Geringerer als Altmeister Peter Konwitschny. Am 16. Mai 2020 wird dieselbe Inszenierung am Theater Erfurt übernommen.
Das Libretto zu „Lanzelot“ schrieb Heiner Müller nach einem brisanten Märchenstück des russischen Dramatikers Jewgeni Schwarz aus dem Jahr 1943. Dessau (Foto 1974) entdeckte darin eine Vorlage mit gesellschaftspolitischen Bezügen: Ein freier „Held“ möchte die Drachenstadt von seinem inhumanen, Angst und Schrecken verbreitenden Usurpator befreien, doch er stößt auf Desinteresse bei den Stadtoberen und der Bevölkerung, die sich „fressend, verdauend, fernsehend“ mit den bestehenden Verhältnissen arrangiert hat. Die Gleichgültigkeit schlägt in Feindseligkeit um, als Lanzelot den Drachen besiegt. Die offene Diktatur des Drachen wird umgemünzt in eine verdeckte Ausbeutung der Bevölkerung, in eine Herrschaft weniger über viele. Für die Liebe Elsas kehrt Lanzelot noch einmal zurück und vollendet sein Werk der Befreiung.
Zu der vielschichtigen textlichen Vorlage Müllers schuf Dessau eine ebenso vielfältige Musik: In ihren Grundzügen ist sie dodekaphon gearbeitet, der Drache wird mit bruitistischen Klängen des überbordenden Schlagapparats charakterisiert, daneben gibt es lyrische und karikaturistische Momente, eine Barockmusikparodie, Beat-Klänge, Mozart-Allusionen, Chopin-, Rossini-, Wagner- und nicht zuletzt Eigenzitate Dessaus.
Info: www.nationaltheater-weimar.de